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Corona-Krise in Neuseeland

Erscheinungsdatum: 07.05.2020

Corona-Krise – Eigentlich sollte es eine monatelange Tour durch mehrere Länder werden. Doch aufgrund der weltweiten Ausbreitung von Covid19 nahm meine Reise einen ganz anderen Verlauf.

Neuseeland – ein Land, von dem man aktuell wenig hört. Ich habe, bis zur Rückholaktion der Bundesregierung, erfahren, wie die Neuseeländer mit der aktuellen Situation umgehen. Und um es kurz vorwegzunehmen: Bei meiner Rückkehr nach Deutschland war ich sehr überrascht.

Corona-Krise – In Neuseeland macht man keine halben Sachen

Die innerhalb von ca. 4 Wochen langsam wachsenden Fallzahlen, veranlassten Premierministerin Adern am 21.03 ein vierstufiges Levelsystem anzukündigen. Graduell steigend, implementieren diese Level stufenweise härtere Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Im Angesicht einer immer gravierenderen Situation wurde Level 1 übersprungen und die Vorsichtsmassnahmen direkt auf Level zwei angepasst. 

Zwei Tage später, die erste nicht auf Auslandsreisen zurückführbare Erkrankung, wird diagnostiziert. Adern reagiert sofort mit weiteren Beschränkungen. Innerhalb von sechs Tagen und mit nur etwas über 1100 bestätigten Fällen wechselte das gesamte Land, ohne Ausnahme, von relativer Normalität auf Lockdown – Level vier. Und mit Lockdown meine ich genau das.

Level 4 – Lockdown für Neuseeland

Nur Lebensmittelläden und Apotheken dürfen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, geöffnet bleiben. Hamsterkäufe gab es nicht, da schon von Beginn an darauf geachtet wurde und mit Rationierung verschiedener Waren dem Ausverkauf entgegengewirkt wird.

Es herrschen von Beginn an strenge Regeln. Lieferdienste, Spirituosengeschäfte, Fast Food Restaurants und Versandhändler sind geschlossen. Überdies trifft das auf alle öffentlichen Gebäude und Einrichtungen, von der Stadtbücherei, über Schulen und Spielplätze bis hin zur öffentlichen Toilette zu.

Stay in your bubble!

Die Idee der Bubble ist simple. Ausschliesslich Kontakt mit im Haus lebenden Angehörigen, der Rest ist tabu. Dementsprechend wurden alle Veranstaltungen abgesagt, vom Konzert bis zur Beerdigung. Ausserhalb der Bubble, galten zwei Meter Abstand, jede andere Interaktion war verboten. Und ja, ich wurde von der Polizei angesprochen, weil ich auf dem Supermarktparkplatz zu nah an meinem Mitbewohner stand…

Absolutes Reiseverbot!

Nicht ausserhalb des Landes, nicht innerhalb des Landes, auch nicht zwischen zwei Dörfern. War man also in Level 4 auf der Nordseite der Insel gestrandet, lebte aber im Süden, gab es keine Möglichkeit nach Hause zu kommen. Sofern keine lebenswichtigen Tätigkeiten nötig waren, blieb man zuhause.

Ein ungewöhnlicher Anblick

Mit den Massnahmen bildete sich ein menschenleeres Neuseeland ab. Der Weg in den Supermarkt führt durch Geisterstädte. Die Menschen achteten sorgfältig auf den Mindestabstand von 2 Meter. Schliesslich kam der Tag meiner Abreise und ich erreichte nach dreistündiger Reise den Flughafen.

Unterwegs begegneten uns etwa 17 Fahrzeuge, was bei einer Strecke von 250 km ein eigenartiges Gefühl hinterlässt. Hinzu kommt eine Polizeistreife, die uns höfflich aber bestimmt begegnete. Auch an diesem Punkt wurde die Sorgfaltspflicht sehr ernst genommen.

Die Bevölkerung und gestrandeten Touristen standen der ganzen Situation eigentlich ziemlich vernünftig und freundlich gegenüber. Die Polizei ermahnte freundlich und sorgte so für die Einhaltung der Regeln. Bei mehrmaligen Verstössen wurden allerdings drastische Massnahmen ergriffen.

Die Regierung machte deutlich:

„Wir sitzen alle im gleichen Boot, und wehe dem, der versucht das Boot zu kentern.“

Trotz der unsicheren Situation und den veränderten Umständen, nehme ich eine Menge positive Eindrücke mit nach Hause!

Schnelles Handeln und drastische Massnahmen sind erfolgreich

Nach etwas über einem Monat kann die Regierung die Massnahmen nun wieder lockern. Neuseeland meldete noch einen neuen Coronafall, insgesamt gibt es nur etwa 1.500 bestätigte und mögliche Fälle, fast ebenso viele haben sich erholt. Die Anzahl der Coronatoten überhaupt: 21. Diesen Erfolg, haben sich die Neuseeländer hart erarbeitet, und sind noch nicht am Ende des Weges angelangt.

Trotz niedriger Zahlen handelt Neuseeland weit aus vorsichtiger als dies in Deutschland geschieht. Die meisten Geschäfte bleiben noch immer geschlossen, Reisen sind weiterhin stark eingeschränkt. Weitestgehend gilt immer noch die Bubble, nur der Aufenthalt im engsten Familienkreis ist erlaubt. Doch ein Ende ist in Sicht, und sollte der Trend so weitergehen, hat die Regierung bereits in Aussicht gestellt, dass bald wieder relative Normalität herrschen könnte.

Hier muss Deutschland nachlegen!

Nach dieser Erfahrung überraschte mich das Leben in Deutschland, zu Zeiten der Corona-Pandemie, etwas. Die sonst weltweit als penibel und gründlich geltenden Deutschen, scheinen mir jetzt eine extreme laissez faire Haltung an den Tag zu legen. Zwar durfte ich bei meiner Einreise ein Formular ausfüllen, dass wohl dem Zweck des Contact-Tracing diente, eingesammelt hat es aber niemand. Mit dem Formular wurde ein Infoblatt zu Vorschriften nach der Einreise ausgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt einen Monat alt war, und somit völlig veraltet.

Informationen sind undeutlich und in jedem Bundesland irgendwie anders. Meine, nach Einreise eigentlich verpflichtende, zweiwöchige Quarantäne überprüfte niemand, wer hätte auch wissen sollen, dass ich überhaupt in Quarantäne war? 1,5 Meter Abstand zu halten ist quasi unmöglich, so voll ist es auf den Strassen, vor Baumärkten und MC Donalds.

In vielen Situationen hörte ich Menschen klagen, die sich über die Härte der Massnahmen beschwerten. Zum Beispiel, dass sich vor den Geschäften längere Schlangen bilden und dies eine Zumutung wäre. Erschreckendes Resultat, gibt es doch in unserem gesamten Land in täglich etwa so viele Neuansteckungen, wie in Neuseeland Fälle insgesamt.

Lieber für kurze Zeit den Modus Neuseeland…

Nun kann man Neuseeland und Deutschland schlecht vergleichen. Neuseeland ist eine Insel, mit viel weniger Einwohnern und geringerer Bevölkerungsdichte. Aber die so unterschiedlichen Ansätze haben mich doch verwundert, und ehrlich gesagt, mir ist ein Ende mit Schrecken lieber als ein Schrecken ohne Ende. Lieber für kurze Zeit den Modus Neuseeland, und danach relative Normalität, als nun für bis auf Weiteres dieses merkwürdige Mittelding.

Wie ist es bei euch? Ich schreibe aus einer NRW-Perspektive, vielleicht sind andere Bundesländer noch legerer oder doch viel strikter? Was haltet ihr vom neuseeländischen Model? Ist das in Deutschland überhaupt umsetzbar?

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